Die Bockwindmühle auf dem Mühlenbrink
(von Reinhold Kölling)
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Die Bockwindmühle auf dem Mühlenbrink an der Grenze zwischen Veltheim, Eisbergen und Lohfeld (Dreiländereck) wurde 1723 erbaut. Dazu gibt es eine Erzählung, die der letzte Müller Karl Stolze, geboren am 8. Juni 1892 in Neesen, immer gern erzählte: Die Mühle sei damals von zwei reichen Damen aus Amerika gestiftet worden. Das habe ihm sein Vater (Karl Heinrich Wilhelm, geboren am 27. März 1856 in Hannover, dieser kaufte die Mühle 1892/93) so berichtet. Diese Mühle hätte noch zwei Gefährten gehabt, die Mühle auf dem Bokshorn und die Kerkenmühle in Eisbergen. Alle drei Mühlen seinen von diesen Damen gestiftet und dann an das Gut Eisbergen verschenkt worden.
Diese Darstellung ist aber wohl eine frei erfundene Geschichte.
Richtig hingegen ist: Die Mühle auf dem Bokshornberg wurde erst 1850 gebaut, und zwar als „Holländer Mühle“, nicht als Bockmühle. Sie ist auch nie im Besitz des Gutes Eisbergen gewesen.
Die „Kerkenmühle“ in Eisbergen, meistens „Olenkerker Mühle“ genannt, war zumindest bis 1850 eine Doppelmühle und bestand aus einer Bockmühle und einer Wassermühle. Diese Mühle gehörte dem Rittergut Eisbergen.
Da 1723 die Besiedlung Nordamerikas durch Europäer noch nicht so umfangreich war, ist es wenig wahrscheinlich, dass von dort reich gewordene Damen nach Europa zurückkamen, um hier Mühlen zu stiften.
Der Ursprung dieser Familienüberlieferung ist wohl der, dass sich Familie Stolze mit allen drei Mühlen eng verbunden fühlte und sie darum in einer gemeinsamen „Gründungslegende“ zusammen¬zufassen versuchte. Einer der Vorfahren des letzten Müllers Karl Stolze, der Großvater Heinrich Stolze, geboren im Jahr 1800, war von 1830 bis 1848 Pächter der gutseigenen Olenkerker Mühle in Eisbergen. 1850 kaufte dieser Heinrich Stolze die neu errichtete Holländer Windmühle auf dem Bokshorn. Die Bockmühle auf dem Mühlenbrink ist 1892 durch Kauf ebenfalls in die Hände der Familie Stolze gelangt.
Die Eigentumsfolge der Bockmühle auf dem Mühlenbrink gestaltet sich wie folgt:
- der preußische Staat (erster Eigentümer), der sie wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an das Rittergut Eisbergen verkaufte
- das Rittergut Eisbergen bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus
- Müller Koch (wurde von Karl Stolze so berichtet)
- Müller Ludwig Horstmann aus Nordhemmern
- der Vater von Karl Stolze, der die Mühle 1892 von Horstmann kaufte und diese später an seinen Sohn Karl Stolze, den letzten Müller dort, übertrug
Im Rezess in der Separationssache Veltheim (Verkoppelung) 1890/91 wird der Weg zur Bockmühle mit „Weg an der Horstmann’schen Mühle“ bezeichnet.
Als Eigentümer der Stätte Lohfeld Nr. 66 wird genannt: Beuke, jetzt Karl Stolze, Müller zu Lohfeld.
Das Baujahr 1723 lässt vermuten, dass der Bau im Zusammenhang mit der Neuordnung des Mühlenwesens während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. (Soldatenkönig) im Jahre 1721 zu sehen ist. Mit dieser Neuordnung hatte der Staat eine Art Mühlenmonopol gegründet, das ihm den alleinigen Besitz von Mühlen auf dem platten Lande sicherte. Um die vorgesehene gesicherte Versorgung der Bevölkerung mit Mahlgut zu gewährleisten, waren in unserer Region wohl die mit Wind betriebenen Mühlen besser geeignet als Wassermühlen.
Die Kapazität der Bockmühle wird 1843 mit vier Scheffeln täglich angegeben. Zusammen mit der Wassermühle auf der Lüchte, die von November bis Mai ein Scheffel täglich liefern konnte, reichte das soeben aus, um den Bedarf der Veltheimer etwa zur Hälfte zu decken. Die andere Hälfte lieferten vor allem die Olenkerker Mühle aus Eisbergen und die Möllberger Mühle, ab 1852 dann verstärkt die neue Holländer Mühle auf dem Bokshorn.
Karl Stolze, der mit viel Liebe an seiner Mühle hing, betrieb die Lohnmüllerei bis 1952. In den letzten Jahrzehnten wurde die Mühle allerdings meist nur noch mit einem Elektromotor angetrieben. Für den Eigenbedarf mahlte Müller Stolze noch bis zum letzten Tag der Mühle.
Bereits seit ca. 1955 hatte Stolze versucht, seine Mühle unter Denkmalschutz stellen zu lassen, um öffentliche Mittel zu deren Erhaltung zu bekommen. Von Jahr zu Jahr merkte man dem Bauwerk das Alter mehr an.
Als schließlich Ende 1959 der Landeskonservator, der Kreis Minden und die Gemeinde Veltheim Geld zur Restaurierung in Aussicht stellten, um die Sanierung der Mühle in Angriff zu nehmen, war es zu spät: Ein Gewittersturm brachte die altersschwache Mühle am 18. Mai 1960 zum Einsturz. Veltheim hatte sein Wahrzeichen für immer verloren.
Im Neubau der Veltheimer Gemeinschaftsschule (1958) war die Bockwindmühle noch in einem Glasfenster verewigt worden.
Das Glasfenster wurde beim letzten Umbau der Schule vom Ortsheimatpfleger Reinhold Kölling vor der Vernichtung gerettet und hat heute seinen Platz in der Heimatstube des Heimatvereins (siehe Foto). Einige weitere wertvolle Teile konnten aus den Trümmern geborgen werden.
Als Müller Stolze aus Altersgründen den Mühlenplatz nicht mehr pflegen konnte, übernahm 1980 die Stadt Porta das Mühlengelände und schuf einen Aussichtsplatz. Der mächtige eichene Hausbaum der Mühle, ein paar Kammräder und Mühlsteine wurden als letzte Reste der Mühle aufgestellt. Der Heimatverein stellte dazu ein Hinweisschild auf.
Der Aussichtsplatz wurde am 20. Juni 1981 mit einem vom Schützenverein Veltheim organisierte Mühlenfest eingeweiht. Die Lage des Platzes im sogenannten „Dreiländereck“ (die Mühle stand auf Veltheimer, das Wohnhaus des Müllers auf Lohfelder Gebiet), war für ein Fest aller drei Ortsteile (Veltheim, Eisbergen, Lohfeld) prädestiniert. Und so fand viele Jahre das Mühlenfest dort statt (mehr dazu in der Chronik des Schützenvereins).
Abschließend noch zwei Vermerke aus der Gemeindechronik von Eisbergen:
Am 20. July 1849 sante die Frau Piel ihren 13-jährigen Sohn namens August nach der sogenannten Veltheimer Windmühle um Mehl zu holen. Derselbe wird vom Kamrade gefaßt, wodurch ihn Arm und Kopf verschmettert, und blieb auf der Stelle Tod.
Am 14. August 1824 nachmittags 4 Uhr wurde Heinrich Henke, Müllergeselle von Bleten im hannoverschen Amte Ruthe, auf der obern Windmühle bei Lohfeld vom Blitz erschlagen. Er war 22 Jahre alt und wurde den 16 August hier begraben.